Historische Erläuterung
»Rusalka« von Antonín Dvořák, ist die zehnte, im Westen bekannteste, seiner insgesamt elf Opern. Dvorak begann am 19. Mai 1900 und arbeitete sechs Monate an diesem Werk. Drei Themen lassen sich in ihm finden: »Undine« von A. Motte-Fouque, »Die kleine Seejungfrau« von H. C. Andersen und »Die versunkene Glocke« von G. Hauptmann. Am Ende des Stückes ist aber ein sicher viel älteres Urthema aufgenommen: eine keltische Legende über diese Wassergeister (z.B. »Die Frau am See« in der Arthursage), die entweder Tod oder Ewiges Leben bringen.
Zu unterscheiden ist die Abstammung der verschiedenen Geister: Neptun ist der Gott des Meeres; seine Töchter sind die Wasserfrauen. Der Wassermann ist der Herr von Flüssen und Teichen; seine Töchter sind die Nixen. Rusalka = Nixe auf tschechisch.
Inszenierung
Die Entscheidung war schwer: sollen wir eine ganz klassische Version machen oder eine moderne? Und warum nicht eine moderne, aber doch romantische Inszenierung? Die Wahl dieser Lösung wurde klar, als der Bühnenbildner Friedrich Hechelmann die Idee von einer ganz schwarzen Bühne hatte. Sie löste auch das Problem, daß auf der zu kleinen Bühne der Platz für Bühnenbilder fehlt. Und sie ermöglicht eine romantische Darstellung durch feine, leichte Lichtarbeit im Dunkeln und durch unerwartete Erscheinungen auf dem schwarzen Hintergrund. Dabei wird auch der Kampf zwischen Licht und Dunkelheit, wie er in der Oper beschrieben wird, sichtbar.
Der Zuschauer tritt sofort in eine Märchenwelt ein, weil der Saal dunkel ist und deshalb nicht nur die Bühne Schauspielort ist, sondern der ganze Saal.
Unsere Vorstellung ist, daß wir in die Welt der Kinder eintreten, in der die Dinge größer scheinen als in Wirklichkeit, wo ein Baumstamm zum Hexenkübel, eine Spinne zur bösen Jezibaba wird, und wo Grashalme riesige Bäume sind. Da entdeckt man plötzlich Leben, wo vorher nichts zu sehen war. In dieser Märchenwelt wird alles möglich. Und es wird lebendig, wenn die Musik beginnt und die Geschichte erzählt, und wenn Musik sich in Licht verwandelt.
Trotz des dramatischen Charakters wird die Geschichte mit Humor erzählt. Die Phantasie der Märchenwelt steht immer über dem Drama, ohne es abzuschwächen. Die Kämpfe zwischen Menschen und Geistern, Liebe und Haß, Licht und Dunkelheit werden aus kindlicher Sicht dargestellt. Das Paradoxe des Stückes ist, daß Geister ohne Seele nicht ewig leben können, daß sie aber die Ewigkeit gewinnen können durch reine geistige Liebe.
Bei der Vorbereitung von »Rusalka« haben wir die vier Grundelemente aufgenommen und verbunden. Das bedeutet: Die »Erde« ist der Ort der Menschen. Die Menschen von Fleisch und Blut sind zu grob und ohne Liebe. Sie können nicht aus der Quelle der Ewigkeit trinken.
Die »Quelle« der geistigen Liebe, die Quelle des Lebens ist der Bereich von »Rusalka«, den Nixen und dem Wassermann. Aber Vorsicht, wer zu viel trinkt, kann auch ertrinken!
Das »Feuer« gehört den bösen Geistern, der Hexe Jezibaba, dem Teufel, der in den Menschenherzen wohnt. Durch Liebe kann sich das Feuer aber in Hoffnung und Leben verwandeln.
Im Reich der »Luft« leben die Waldfeen. Diese Geister fliegen über die Geschichte, ohne betroffen zu sein.
Wir hoffen, daß der Zauber der Phantasie uns umfangen wird, und daß das Herz aller Kinder, die wir im Tiefsten immer sind, sich öffnen wird für ein unvergeßliches Erlebnis.
Claude-Nicolas Colas