Igor Strawinsky (1882-1971) »Die Nachtigall«
Oper in drei Akten mit einem Libretto von Stéphane Mitousoff
nach dem Märchen Die Nachtigall von Hans Christian Andersen.
Die Musik der Oper »Die Nachtigall«
Igor Strawinskys Oper wirbelt gegensätzliche Eindrücke und Gefühle auf. Zwar ist das Chinesische am »Chinesischen Marsch« im zweiten Akt deutlich zu hören, aber Strawinsky hat ihm ein expressionistisches Gewand verpaßt, mit seinen sich frei fortspinnenden Rhythmen und sehr scharfen Zusammenklängen. Nur wer genau zuhört, vernimmt in diesen pompösen, das Ohr ständig provozierenden Klängen die tödliche Krankheit des Kaisers.
Das Lied der Nachtigall ist von äußert feinfühliger Struktur. Im Gegensatz zur künstlichen Nachtigall ist ihr Gesang nicht durch begrenzte und etwas plumpe Melodien der Oboe gekennzeichnet. Ihr Gesang ist der lebendigen Stimme einer Sängerin anvertraut. Die Melodie bewegt sich schwerelos und frei im Raum, weder an eine Tonart noch an eine herkömmliche melodische Fortschreitung gebunden. Auch die instrumentale Begleitung der Nachtigall ist ungemein durchsichtig gehalten. Sowohl von der Sängerin wie von den Instrumentalisten wird meisterhaftes Können verlangt.
Kein Wunder, daß diesem lebendigen, ja geisterfüllten Gesang auch der Tod nicht widerstehen kann, er schmilzt dahin und tut alles, was die Nachtigall von ihm verlangt. Der Kaiser wird an Leib und Seele gesund, da er sich vom zauberhaften Gesang tief berühren und anrühren läßt.
Zu wünschen ist, daß das Publikum sich von Strawinskys Expressionismus nicht schrecken läßt. Seine Sprache ist ungewöhnlich und nicht leicht verständlich. Vor allem deshalb, weil sie nicht mehr an eine Tonart gebunden ist und weil die sehr scharfen Zusammenklänge dem Ohr des Zuhörers sehr viel abverlangen.
Auch der Grundkurs Musik des Gymnasiums Isny hatte anfänglich große Schwierigkeiten,
Strawinskys Sprache anzunehmen, seine ungewöhnlichen Melodien und sehr harten Harmonien innerlich zu akzeptieren. Aber nach einiger Zeit erschloß sich die Tiefe der Werke Strawinskys wie von selbst.
Günther Rahn mit dem Grundkurs Musik des Gymnasiums Isny