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Hoffmann – nicht nur Erzähler, sondern Multitalent

E.T.A. Hoffmann: Selbstporträt (Bild: Wikipedia)Von Johann Wolfgang von Goethe ist bekannt, dass er sich erst während seiner »italienischen Reise« 1786 – in Wahrheit ein Studienaufenthalt von anderthalb Jahren – entschied, ob er Maler oder Dichter werden wolle. Mehrfachbegabungen sind in der Kulturgeschichte nicht selten – Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann, 1776-1822 (den Vornamen »Amadeus« nahm der Mozart-Verehrer erst 1805 an Stelle des »Wilhelm« an) stellte aber alles in den Schatten. Er war Jurist, und als solcher alles andere als obrigkeitsfromm, dazu Zeichner (seine bissigen Karikaturen trugen ihm 1802 die Strafversetzung von Posen nach Plock an der Weichsel ein), Dichter und, vor allem, Musiker.

Ja in der Musik sah er seine eigentliche Berufung. 1807 wie viele preußische Beamte auf Geheiß der französischen Besatzungsmacht aus seiner Stellung entlassen, machte er die Not zur Tugend und wurde 1808 Kapellmeister am Bamberger Theater. In dieser Zeit wurde er auch Mitarbeiter der »Allgemeinen Musikalischen Zeitung«, in der er ganz neue Maßstäbe der Musikkritik setzte; berühmt wurde vör allem seine Rezension von Beethovens 5. Symphonie.

Freilich hatte er auch viel Pech, so scheiterte er in Bamberg offenbar als Dirigent, vermutlich seiner Art wegen, das Orchester vom Flügel aus zu leiten. 1813 übernahm er das Amt des Kapellmeisters bei der Secondaschen Theatertruppe, die abwechselnd in Leipzig und Dresden gastierte; während dieser Zeit entstand seine Zauberoper »Undine« – ein frühromantisches Werk, von dem Carl Maria von Weber meinte, der Komponist möge »der Welt bald wieder etwas so Gediegenes als diese Oper schenken«. Weber war zehn Jahre jünger als Hoffmann, der Freischütz wurde fünf Jahre nach der Undine aufgeführt (13. August 1816), die im Berliner Schauspielhaus 14 Vorstellungen erlebte. Es mag der Musikwissenschaft überlassen bleiben, herauszuarbeiten, wie stark Hoffmann Webers Kunst beeinflusst hat.

Am 1. Oktober 1814, nach Preußens Wiederaufstieg und Napoleons Niederlage, wurde Hoffmann als Richter am Berliner Kammergericht eingestellt. Zu diesem Zeitpunkt hatte er keine acht Jahre mehr zu leben. Wenn auch Hoffmanns Zechereien mit dem Schauspieler Devrient in der Berliner Weinstube Luther & Wegner von der Nachwelt stark übertrieben sind (und der Rahmenhandlung zu »Hoffmanns Erzählungen« als Sujet gedient haben), so mag die keineswegs biedere Lebensweise des vielfältig interessierten Hoffmann (der sich in der Figur des Kapellmeister Kreisler mit dem Kragen »in E-Dur-Farbe« selbst ein Denkmal gesetzt hat) durchaus zum Tod des 46-jährigen beigetragen haben.

Für seine unvollendete, erst nach dem Tod des Komponisten in erheblich bearbeiteter Form uraufgeführte romantische Oper »Hoffmanns Erzählungen« hat Jacques Offenbach drei Erzählungen E.T.A. Hoffmanns verwendet:
– Aus den »Nachtstücken« (1817) die Erzählung »Der Sandmann« für den ersten Akt.
– Aus den »Serapionsbrüdern« (1819) die bereits ein Jahr zuvor als Einzeldruck erschienene Geschichte vom »Rath Krespel«.
– Aus dem vierten Band der »Fantasiestücke in Callot’s Manier« (1810 – 1819) einen Teil von »Die Abenteuer der Sylvesternacht«, nämlich die »Geschichte vom verlernen Spiegelbilde«.

Gewiss sind Offenbach und die Vollender seines Werkes mit der teils bizarr, teils romantischen Stimmung ihrer Oper dem Geist, dem Grundtenor von Hoffmanns Werken durchaus gerecht geworden – dennoch wäre der Nachwelt anzuraten, sie würde nicht nur der Gerechtigkeit halber, sondern auch zum eigenen Genuss das Berliner Multitalent nicht nur als phantasievollen, schreibwütigen Trunkenbold, sondern auch als exzellenten Komponisten zur Kenntnis nehmen. Sein Harfenquintett wieder zur Aufführung zu bringen, ist gewiss ein großes Verdienst des Isny Opernfestivals im Jahr 2000.

Dr. Till Bastian

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