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Wir inszenieren Mozarts »Die Entführung aus dem Serail« als eine luftige, leichte, helle Oper …. Wir verwenden klare, helle Farben: weiß, gelb, rot, blau, lila – ausgespart werden grün und schwarz. Schmetterlinge bilden ein Leitmotiv der Inszenierung: die Frauen seines Serails sind für Bassa Selim wie schöne bunte Schmetterlinge. Sie flattern, verweilen, bezaubern und flögen bisweilen davon – wenn man sie nicht hindert…..

Fünf transparente Wandschirme, mit Schmetterlingen bedruckt, stellen das Serail vor. Bunte Würfel sind vielseitig einsetzbare Konstruktionselemente und Requisiten.

Wie meist bei Mozart, gibt es edle und buffoneske Figuren. Die edlen (Bassa Selim, Konstanze und Belmonte) tragen weiß, Silber, gold, pastell-lila oder blau; die komischen und einfachen Rollen sind in fröhliche Rot- bis Gelbtöne gekleidet. Als Gefangene im Serail tragen die Europäer durchaus die dort übliche Kleidung (bei uns: frei orientalische Assoziationen variierend), während Belmonte sich in historischer Barockkleidung vorstellt, um einen Eindruck als gediegener Europäer zu machen, wie man ihn sich in einer Oper vorstellt. Doch zur Flucht hat er seinen Freunden europäische Klamotten der 1970er Jahre mitgebracht, die die wahre Diskrepanz der Europäer zur Welt des Serails sichtbar machen: Ein skandalöser Aufzug in den Augen derer, die die Flucht vereiteln.

Woran denken wir beim Wort SERAIL? An Erotik-Geheimnis-Hitze-Architektur-Macht. Obwohl die Strukturen in südlicher Sonne hell, einfach und klar sind (bei uns: Würfel und Schmetterlingswände), bleiben den Europäern die Strukturen der Erotik und der Macht ein Geheimnis. Wir zeigen das Ungreifbare des Serails, indem Schmetterlinge und Objekte als unsichtbar dargestellt werden. Auch die Wände sind dazu da, Geheimnisse zu bewahren.

Die Europäer werden durch die Entführung in das Serail auf eine harte Probe gestellt: Bleiben sie ihren heimatlichen Geliebten treu? Ja, sie bleiben es – und die treuen Gefühle finden Ausdruck in den schönsten Arien und Duetten.

Aber noch eine andere Prüfung, eine modernere, steckt in dieser Oper: Werden sie der orientalischen, fremden Welt, mit der sie konfrontiert sind, auch gerecht? Diese Prüfung bestehen sie weit weniger gut. Am besten gelingt es Blondchen mit ihrem heiteren Temperament, sich mit den Gegebenheiten zu arrangieren, zumal sie es mit dem tollpatschigen Omin zu tun hat. Konstanze und Belmonte hingegen werden am Ende von der für sie überraschenden Großmütigkeit des Bassa Selim beschämt.

Sie hatten versucht, die Orientalen zu betrügen und auszutricksen – und haben sich damit dem Bassa Selim als so falsch präsentiert, wie sie wohl selbst in ihren Vorurteilen die Orientalen sehen möchten.

Nun geht ihnen auf, dass die orientalische Welt ihre eigene Güte und Menschlichkeit hat. – Wäre nicht vielleicht am Ende Bassa Selim die interessantere Wahl für Konstanze gewesen…?

Hans-Christian Hauser

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